"Du kannst dich
umziehen, wenn du möchtest. Nimm den Anhänger mit und versteck ihn gut. Ich
gehe noch etwas vorbereiten, aber ich
bin bald wieder da. Beeil dich bitte." Ohne sie anzusehen sprach Levin
diese Worte über ihren Kopf hinweg und wandte sich um, um zu gehen, doch Emily
hob die Hand und fasste ihn am Arm.
Levin erstarrte.
"Was ist?"
Ohne den Kopf zu drehen, fragte er sie mit einer seltsam belegten Stimme. Seine Muskeln waren
angespannt, Emily konnte es fühlen. Im
Licht der aufgehenden Sonne zeichneten
die Muskeln seiner Arme sich, weiche Schatten werfend, ab. Sie
schüttelte unwillkürlich den Kopf, um
ihre Gedanken zu ordnen.
***
"Wo bringst du
mich hin?", fragte sie ihn zögerlich.
"Komm",
war Levins einzige Erwiderung, bevor er sich umdrehte und die Wohnungstür
öffnete.
Emily biss sich auf
die Unterlippe und verkniff es sich, etwas zu sagen. Sie war zu gespannt
darauf, zu erfahren, wohin Levin sie
bringen würde. Würde er sie in ein Geheimversteck bringen? Eine Höhle irgendwo? Ein verlassenes Haus? Oder würde er
sie sogar aus der Stadt heraus fahren? Sie musste an ihre Mutter denken. Vivian
lag im Krankenhaus, nichts von dem ahnend, was vor sich ging. Emily würde sie
nicht einmal besuchen können, wenn sie jetzt verschwand. Aber wenn ihre Mutter
dadurch in Sicherheit wäre, wäre es wohl
das Beste so.
Sie stieg in ihre
grünen Doc Martens, ohne sie zuzuschnüren. Im Hinausgehen griff sie sich ihren
Schlüssel von der Kommode im Flur und stopfte ihn hastig in ihre Hosentasche.
Sie verließ die Wohnung, zog die Tür hinter sich zu und wollte gerade abschließen,
als Levin ihr Handgelenk griff.
"Lass das
lieber. Sie werden die Wohnung sowieso durchsuchen. Besser ist es, wenn
sie ohne Probleme einbrechen können, als
wenn sie die Tür aufsprengen." Das sah Emily ein, doch es beunruhigte sie sehr. Alles, was ihre Mutter und sie noch besaßen,
nachdem sie umgezogen waren, befand sich
in dieser Wohnung. Immerhin besaßen sie kaum etwas Wertvolles. Ihren Schmuck,
ihr Tafelsilber und andere
Wertgegenstände hatte ihre Mutter längst verkauft, nachdem ihr Vater verschwunden war. Bei dem Gedanken an ihren
Vater zog sich ihr Magen zusammen und sie verkrampfte sich. Schnell versuchte
sie den Gedanken zu verdrängen und ging hinter Levin die Treppe hinunter und durch die Haustür hinaus. Es war
ein angenehmer Morgen, ohne Wolken am Himmel und die Temperatur wies darauf
hin, dass es ein sehr heißer Tag werden würde. Hoffentlich würden sie sich
nicht zu viel in der Sonne aufhalten. Emily bekam mit ihrer blassen Haut sehr
schnell Sonnenbrand. Ein kurzer Blick
zur Seite auf Levins gebräunte Haut versicherte ihr, dass er dieses Problem
nicht hatte.
Levins blauer
Lieferwagen stand vor der Tür und Emily wollte gerade darauf zusteuern, als
Levin den Kopf schüttelte.
"Wir müssen zu
Fuß gehen. Das ist weniger auffällig."
***
Ohne etwas zu sagen
wendete sich Emily also um und begann in
Richtung Strand zu gehen. Immer noch tat ihr Fuß beim Gehen weh, aber sie
konnte mittlerweile auftreten und sie
wollte nicht wieder von Levin getragen werden. Doch sie kamen nur langsam voran
und schon nach ein paar Dutzend Metern schmerzte Emilys Fuß fast unerträglich.
"Was ist
los?" Levin war vor ihr stehen geblieben und musterte ihr
schmerzverzerrtes Gesicht besorgt. Emily
lief wieder rot an. Sie wollte ihre Schwäche nicht zugeben, aber selbst wenn
sie es schaffen würde, mit diesen
Schmerzen noch weiter zu gehen, würden sie für den Fußweg von wenigen Minuten
fast eine Stunde brauchen. Also überwand
sie sich "Mein Fuß. Er schmerzt fürchterlich." Levin schien
ihren umgeknickten Fuß schon vergessen
zu haben, denn er sah sie für einen Moment verständnislos an. Dann fing er an zu lachen und schüttelte sachte den
Kopf.
"Ich dachte
schon, du hättest Ares oder noch etwas
Schlimmeres irgendwo gesehen. Na los, spring auf!“, sagte er zu ihr,
drehte sich um und ging leicht in die
Hocke. Emily zögerte, doch Levin warf ihr einen ermunternden Blick über
die Schulter zu und Emily riss sich
zusammen. Sie sprang auf Levins Rücken, legte ihre Hände um seinen Hals und er
griff ihre Beine.
"Halt dich gut
fest", sagte er schelmisch und rannte los.
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