"Wo soll ich am
besten beginnen, um es möglichst kurz und verständlich zu machen? Diese Welt,
Emily, das, was du hier siehst, was dich
umgibt, ist nicht die einzige Realität. Es gibt mehrere verschiedene Dimensionen, Parallelwelten sozusagen und
diese hier ist nur eine mögliche Welt unter vielen. Ares und Ich, wir kommen aus einer anderen Welt-"
"Wie
Aliens?", unterbrach sie ihn erschrocken und stellte sich gerade vor, wie
sie in einem Raumschiff zur Erde gereist waren. Vielleicht sogar in dem blauen
Lieferwagen.
"Nein, nicht
ganz. Wir kommen nicht wirklich von einem anderen Planeten, sondern mehr aus
einer anderen … Wirklichkeit. Und dein
Anhänger auch. Und dorthin möchte ich dich
bringen. Oder viel mehr, möchte ich, dass du
uns dorthin bringst."
[...]
"Was soll ich tun?" Levins Halblächeln, das zwischendurch einem
besorgten Ausdruck gewichen war, erschien wieder auf seinem Gesicht, er nahm
seine Hände von ihren Schultern und
begann zu erklären: "Hol den Anhänger hervor. Nun nimm ihn in die eine
Hand und gib mir die andere." Emily zog den Anhänger an der Silberkette
unter ihrem T-Shirt hervor. Er schien zu leuchten. Dann nahm sie ihn in die
linke Hand und schloss ihre Faust um ihn. Schließlich legte sie ihre
rechte Hand in Levins ausgestreckte
linke Hand. Seine Hand war warm und weich und zitterte im Gegensatz zu Emilys
nicht.
"Öffne die
Faust, lass ihn ruhig auf deiner Handfläche liegen und konzentrier dich auf
sein Leuchten."
Emily hob die linke
Hand so, dass sie zwischen ihnen beiden in der Luft, ihr etwa auf Brusthöhe
stehen blieb und öffnete sie. Gebannt
sahen sie beide den Anhänger an. Er leuchtete nun definitiv. Das grüne Leuchten schien zu pulsieren, fast wie ein
Herz. Sie zuckte zusammen. Es war, als hätte der Anhänger sich bewegt, obwohl
er ganz still da lag. Pulsierende Energiewellen liefen durch ihre Hand, zunächst
ganz schwach und dann immer stärker
werdend. Sie wollte Levin fragen, was passierte, doch sie konnte vor Aufregung den Mund nicht bewegen.
"Und jetzt
schließ die Augen und stell dir vor, wie das Meer aufhört zu Rauschen. Höre,
wie die Möwen langsam verstummen. Spüre, wie
der Wind sich allmählich legt. Es sind nur noch wir beide und der
Anhänger da. Sonst nichts", sprach Levin mit leiser, fast hypnotischer
Stimme. Emily schloss die Augen und versuchte sich nur auf das Pulsieren des
Anhängers in ihrer linken Hand zu konzentrieren, doch sie wurde abgelenkt von
Levins Hand in ihrer rechten. Sie wurde nervös und ihre Hände schwitzig. Mit einem sanften Drücken seiner
Hand holte Levin sie aus ihren Gedanken und sie riss sich zusammen, obwohl es
ihr schwer fiel, mit geschlossenen Augen hier zu stehen, ihre Hand in seine
gelegt...Reiß dich zusammen! Denk an Ares und
daran, was er mit dir macht, wenn er
euch hier findet-schalt sie sich selbst und es klappte. Sie
fokussierte ihre Gedanken nur auf den Anhänger. Alle Geräusche und
Wahrnehmungen, selbst das Licht schienen zu verschwinden. Vor ihrem geistigen
Auge sah sie nur das an- und abschwellende grüne Leuchten, nahm nur die sanften
Energiestöße wahr, die von ihrer
Handfläche durch ihren ganzen Körper pochten und an ihrer rechten Hand in
Levins Hand übergingen. Levins Hand...fast wäre sie wieder
abgedriftet, doch dann drang ein Bild in ihr Bewusstsein, von einer Landschaft, die sie noch nie
gesehen hatte. Ein dichter Wald, mit riesigen grünen Bäumen, an denen sich
Kletterpflanzen hochrankten, durch ihre Blätter fiel ein warmes grünliches
Licht, das das Dickicht zwischen den Bäumen mit hellen Flecken sprenkelte.
Zwischen den Bäumen schlängelte sich ein Weg durch das Dickicht, an dessen Ende
ein kleines Haus stand. Es war aus weißen Ziegeln gebaut, hatte ein Spitzdach
aus schwarzem Schiefer, mit einem kleinen weißen Schornstein, aus dem Rauch
quoll und auf der Veranda aus dunklem Holz standen eine Bank und ein
Schaukelstuhl, der sich im Wind wiegte. Sie hörte das Rascheln der Blätter, das
Zwitschern von Vögeln und roch die würzigen erdigen Aromen eines Waldes an
einem Sommermorgen. Die Luft war feucht, aber nicht schwül, da die Bäume mit
ihrem dichten Blätterdach die meiste Hitze abhielten. Was war das für ein Ort?
Und wie konnte sie ihn mit diesen Details, sogar mit den Gerüchen und Gefühlen
wahrnehmen? Sie versuchte sich wieder auf das Pochen des Anhängers zu
konzentrieren, doch sie merkte, dass es aufgehört hatte. Verwundert schlug sie
die Augen auf und bemerkte: Keinen Unterschied. Sie stand wirklich in diesem
Wald. Der Strand, das Meer, alles war einfach verschwunden. Nein. Ich bin verschwunden. Emily schlug die rechte Hand vor den Mund um einen Aufschrei zu
unterdrücken, als ihr bewusst wurde, dass Levin diese Hand eben noch gehalten
hatte. Wo war er? Hatte sie ihn … verloren? War es, weil sie sich nicht richtig
konzentriert hatte? Weil sie sich hatte ablenken lassen? Erschrocken drehte
Emily sich um und sah ihn hinter sich stehen. Er war lässig an einen Baum
gelehnt und betrachtete sie mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.
"Willkommen in
Ageia."