Mittwoch, 1. August 2012

I bet your boyfriend hates you most


Beim Aussteigen musste Levin Emily helfen, was sie nur widerwillig annahm. Sie sah auf ihr Handy, um die Uhrzeit zu überprüfen. Es war schon fast drei Uhr morgens. Chris schlief garantiert längst. Aber wenn ich ihm erzähle, was alles passiert ist, wird er mir garantiert nicht böse sein. Sie klingelte. Als nichts geschah, klingelte sie noch einmal. Als sie gerade noch einmal den Klingelknopf drückte, drang Chris leicht gereizte Stimme aus der Sprechanlage: "Ja?"
"Hi Chris, hier ist Emily. Kannst du mich bitte reinlassen?" Der Türöffner summte und Emily drückte die Tür auf.
"Er wohnt ganz oben, also könntest du mich vielleicht …?" Emily hasste es, Levin fragen zu müssen und konnte den Satz nicht zu Ende sprechen, doch Levin hatte sie trotzdem verstanden. Er ging ein wenig in die Hocke, legte seinen linken Arm in ihre Kniekehle, seinen rechten an ihren Rücken und kippte sie so, dass sie in seinen Armen lag. Dann richtete er sich mühelos auf. Ihre Krücken hielt Emily in ihren Händen. Levin trug sie die fünf Stockwerke hoch und stellte sie auf Chris Fußmatte ab, wo dieser schon wartete. Seine Haare waren vollkommen zerzaust, er hatte seine Brille nicht auf, was seine Augen ungewöhnlich klein wirken ließ und er trug nur eine Jogginghose, aus der oben seine Boxershorts raushing. Er sah aus, als wäre er gerade aus dem Bett gefallen und hätte sich hastig etwas übergezogen. Wie unerwartet. Dass er kein Shirt trug machte Emily ein wenig verlegen. Sie bemerkte, wie er Levin einen seltsamen Blick zuwarf und die Situation wurde ihr noch unangenehmer.
"Ich-ähm, also...Kann ich heute Nacht bei dir schlafen?", fragte sie mit unsicherer Stimme, ohne ihn anzusehen. Chris blinzelte ein paar Mal, offensichtlich verwirrt, bevor er fragte: "Was?" Er rieb sich die Augen.
"Emily möchte wissen, ob sie heute Nacht bei dir schlafen kann", wiederholte Levin langsam und deutlich, als würde er Chris für geistig zurückgeblieben halten. Emily warf ihm einen wütenden Blick zu.
"Warum? Was...Sind das Krücken? Und was ist mit deinem Gesicht-? Komm erstmal rein." 
Er öffnete die Tür und ließ Emily und, was Emily peinlich war, auch Levin herein und führte sie in sein Zimmer. Seine Mitbewohner waren zum Glück nicht zu Hause, da sie ihre Semesterferien woanders verbrachten, sodass sie sich wenigstens nicht auch noch dafür schuldig fühlte, sie ebenfalls aus dem Bett geklingelt zu haben.
Emily setzte sich auf Chris Bett, wo Levin sich zu ihrer Empörung neben ihr niederließ. Chris hob die Augenbrauen, sagte jedoch nichts und sank in seinen Sessel.
"Emily, was ist passiert?" Er schien beschlossen zu haben, Levin, der sich entspannt zurückgelehnt hatte und neugierig seine Umgebung musterte, zu ignorieren.
"Ich- Es ist kompliziert", begann sie und erzählte ihm, was alles passiert war, seit sie seine Wohnung verlassen hatte, wobei sie jedoch versuchte es nicht so seltsam wirken zu lassen, dass Levin immer plötzlich aufgetaucht war. Für Chris musste es sich so anhören, als wäre Levin die ganze Zeit bei ihr gewesen. Auch nicht viel besser. Chris sah sie für ein paar Augenblicke nur an.
"Aber dir geht es soweit gut?" Besorgt musterte er sie und Emily fielen wieder die ganzen kleinen Kratzer und die aufgeplatzte Lippe in ihrem Gesicht ein. Sie nickte.
"Also kann ich hierbleiben? Nur heute Nacht? Also den Rest, der davon noch übrig ist, meine ich." Erwartungsvoll sah sie ihn an und hoffte, obwohl sie sich dabei schäbig fühlte, dass ihre großen Augen auf ihn auch so wirkten, wie sie es scheinbar bei anderen Männern taten. Anziehend kann er mich ja kaum finden. Ich bin doch noch fast ein Kind für ihn, aber vielleicht funktioniert ja deswegen das Kindchenschema. Emily schob bei diesem Gedanken auch noch ihre Unterlippe vor und versuchte zu ignorieren, dass Levin neben ihr leise lachte und sachte den Kopf schüttelte. Chris nickte.
"Und…ähm...?" Chris sprach Levin immer noch nicht an, sondern nickte nur in seine Richtung.
"Oh, keine Sorge. Ich habe nicht die Absicht bei dir zu übernachten. Ich wollte Emily lediglich sicher hier abliefern." Mit einem Lächeln, das andere freundlich gefunden hätten, das Emily jedoch Schauer über den Rücken jagte, sah er sie an. Emily erwiderte den Blick gehässig.
"Gute Nacht ihr Zwei", trällerte Levin und verließ, mit einem Zwinkern seines linken Auges für Emily und einem kurzen Winken mit der rechten Hand an Chris, die Wohnung. Emily erwartete, dass Chris sie fragen würde, wer Levin war, woher sie ihn kannte oder etwas in der Art, doch Chris sah sie nur noch einen Moment an und gähnte dann.
"Leg dich ruhig in mein Bett, ich schlafe in Alex Zimmer." Alex war einer von Chris beiden Mitbewohnern. Emily wollte protestieren, doch da ihr keine andere Lösung einfiel, nickte sie nur, zog die Hose, die sie sich über ihre Boxershorts gezogen hatte, aus und legte sich hin. Chris wünschte ihr eine Gute Nacht und verließ, das Licht ausschaltend, sein Zimmer. Für einige Minuten lag Emily hellwach im Bett und bezweifelte, dass sie in der Lage sein würde, einzuschlafen, doch dann überkam sie mit einem Mal eine Welle der Müdigkeit und sie fiel in einen tiefen Schlaf.

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