Mittwoch, 9. März 2016

In meiner Welt gibt es unendlich viel zu sehen...

"Wo soll ich am besten beginnen, um es möglichst kurz und verständlich zu machen? Diese Welt, Emily,  das, was du hier siehst, was dich umgibt, ist nicht die einzige Realität. Es gibt mehrere verschiedene  Dimensionen, Parallelwelten sozusagen und diese hier ist nur eine mögliche Welt unter vielen. Ares und  Ich, wir kommen aus einer anderen Welt-"
"Wie Aliens?", unterbrach sie ihn erschrocken und stellte sich gerade vor, wie sie in einem Raumschiff zur Erde gereist waren. Vielleicht sogar in dem blauen Lieferwagen.
"Nein, nicht ganz. Wir kommen nicht wirklich von einem anderen Planeten, sondern mehr aus einer  anderen … Wirklichkeit. Und dein Anhänger auch. Und dorthin möchte ich dich  bringen. Oder viel mehr, möchte ich, dass du uns dorthin bringst."
[...]
 "Was soll ich tun?" Levins Halblächeln, das zwischendurch einem besorgten Ausdruck gewichen war, erschien wieder auf seinem Gesicht, er nahm seine Hände von  ihren Schultern und begann zu erklären: "Hol den Anhänger hervor. Nun nimm ihn in die eine Hand und gib mir die andere." Emily zog den Anhänger an der Silberkette unter ihrem T-Shirt hervor. Er schien zu leuchten. Dann nahm sie ihn in die linke Hand und schloss ihre Faust um ihn. Schließlich legte sie ihre rechte  Hand in Levins ausgestreckte linke Hand. Seine Hand war warm und weich und zitterte im Gegensatz zu Emilys nicht.
"Öffne die Faust, lass ihn ruhig auf deiner Handfläche liegen und konzentrier dich auf sein Leuchten."
Emily hob die linke Hand so, dass sie zwischen ihnen beiden in der Luft, ihr etwa auf Brusthöhe stehen  blieb und öffnete sie. Gebannt sahen sie beide den Anhänger an. Er leuchtete nun definitiv. Das grüne  Leuchten schien zu pulsieren, fast wie ein Herz. Sie zuckte zusammen. Es war, als hätte der Anhänger sich bewegt, obwohl er ganz still da lag. Pulsierende Energiewellen liefen durch ihre Hand, zunächst ganz  schwach und dann immer stärker werdend. Sie wollte Levin fragen, was passierte, doch sie konnte vor  Aufregung den Mund nicht bewegen.
"Und jetzt schließ die Augen und stell dir vor, wie das Meer aufhört zu Rauschen. Höre, wie die Möwen langsam verstummen. Spüre, wie  der Wind sich allmählich legt. Es sind nur noch wir beide und der Anhänger da. Sonst nichts", sprach Levin mit leiser, fast hypnotischer Stimme. Emily schloss die Augen und versuchte sich nur auf das Pulsieren des Anhängers in ihrer linken Hand zu konzentrieren, doch sie wurde abgelenkt von Levins Hand in ihrer rechten. Sie wurde nervös und ihre Hände schwitzig. Mit einem sanften Drücken seiner Hand holte Levin sie aus ihren Gedanken und sie riss sich zusammen, obwohl es ihr schwer fiel, mit geschlossenen Augen hier zu stehen, ihre Hand in seine gelegt...Reiß dich zusammen! Denk an Ares und daran, was er mit dir macht, wenn er  euch hier findet-schalt sie sich selbst und es klappte. Sie fokussierte ihre Gedanken nur auf den Anhänger. Alle Geräusche und Wahrnehmungen, selbst das Licht schienen zu verschwinden. Vor ihrem geistigen Auge sah sie nur das an- und abschwellende grüne Leuchten, nahm nur die sanften Energiestöße wahr, die  von ihrer Handfläche durch ihren ganzen Körper pochten und an ihrer rechten Hand in Levins Hand  übergingen. Levins Hand...fast wäre sie wieder abgedriftet, doch dann drang ein Bild in ihr Bewusstsein,  von einer Landschaft, die sie noch nie gesehen hatte. Ein dichter Wald, mit riesigen grünen Bäumen, an denen sich Kletterpflanzen hochrankten, durch ihre Blätter fiel ein warmes grünliches Licht, das das Dickicht zwischen den Bäumen mit hellen Flecken sprenkelte. Zwischen den Bäumen schlängelte sich ein Weg durch das Dickicht, an dessen Ende ein kleines Haus stand. Es war aus weißen Ziegeln gebaut, hatte ein Spitzdach aus schwarzem Schiefer, mit einem kleinen weißen Schornstein, aus dem Rauch quoll und auf der Veranda aus dunklem Holz standen eine Bank und ein Schaukelstuhl, der sich im Wind wiegte. Sie hörte das Rascheln der Blätter, das Zwitschern von Vögeln und roch die würzigen erdigen Aromen eines Waldes an einem Sommermorgen. Die Luft war feucht, aber nicht schwül, da die Bäume mit ihrem dichten Blätterdach die meiste Hitze abhielten. Was war das für ein Ort? Und wie konnte sie ihn mit diesen Details, sogar mit den Gerüchen und Gefühlen wahrnehmen? Sie versuchte sich wieder auf das Pochen des Anhängers zu konzentrieren, doch sie merkte, dass es aufgehört hatte. Verwundert schlug sie die Augen auf und bemerkte: Keinen Unterschied. Sie stand wirklich in diesem Wald. Der Strand, das Meer, alles war einfach verschwunden. Nein. Ich bin verschwunden. Emily schlug die rechte Hand vor den Mund um einen Aufschrei zu unterdrücken, als ihr bewusst wurde, dass Levin diese Hand eben noch gehalten hatte. Wo war er? Hatte sie ihn … verloren? War es, weil sie sich nicht richtig konzentriert hatte? Weil sie sich hatte ablenken lassen? Erschrocken drehte Emily sich um und sah ihn hinter sich stehen. Er war lässig an einen Baum gelehnt und betrachtete sie mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.

"Willkommen in Ageia."

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen