Donnerstag, 8. März 2012

Briefe verheißen selten etwas Gutes

Durch die Glasscheibe in der Wohnzimmertür konnte man das blaue flackernde Licht des  Fernsehers sehen. Man hörte eine Frau kreischen und einen Mann mit tiefer Stimme lachen. Es musste  irgendein Horrorfilm sein, der da lief, doch Emily kam die Situation sehr bekannt vor. Sie holte tief Luft,   öffnete die Tür und machte das Licht an. Ihre Mutter lag, wie erwartet, auf dem Sofa und, wie erwartet,  stand das Tablettendöschen auf dem Couchtisch. 
"Setz mich auf das Sofa", sagte sie zu Levin und schämte  sich für einen Moment unglaublich für ihre Mutter. Doch dann dachte sie wieder daran, dass sie Levin sowieso nicht vertraute,  und dass ihre Mutter auch nicht wirklich etwas dafür konnte wie sie war, also schob sie den Gedanken bei Seite.
"Mama, ich bin zu Hause", sagte sie und schüttelte ihre Mutter leicht. Sie fühlte sich kühl an. Panik machte  sich in Emily breit. Sie hielt ihre Hand nah vor das Gesicht ihrer Mutter. Ihre Atmung war sehr schwach und  unregelmäßig. Sie sah sich um. Levin sah alarmiert aus. 
"Was ist los?"
"Ruf schnell einen Krankenwagen. Das Telefon liegt im Flur!" Ohne zu zögern eilte Levin in den Flur und  Emily hörte ihn sprechen.
"Überdosis Diazepam", rief sie ihm zu, damit der es weitergeben konnte.
Sie hatte sich die Packungsbeilage und genügend Internetartikel durchgelesen, um die Situation sofort zu  verstehen. Sie hatte immer befürchtet, dass dies einmal passieren würde. Doch sie hatte gehofft, dass sie  nicht grün und blau geprügelt und bewegungsunfähig und zusätzlich in Begleitung eines wenig  vertrauenswürdigen Fremden war, wenn es passierte.
"Der Notarzt ist unterwegs. Falls sie aufhört zu atmen, müssen wir sie Mund-zu-Mund beatmen."
Emily vergrub das Gesicht in ihren Händen. Die Tränen, die sie die ganze Zeit niedergekämpft hatte,  flossen jetzt unkontrolliert.
"Es wird alles wieder gut. Der Notarzt ist in circa drei Minuten hier. Das Krankenhaus ist ja zum Glück nicht  weit entfernt." Levin versuchte sie zu beruhigen, doch sie wollte sich jetzt gar nicht beruhigen. Sie hatte  allen Grund dazu auf dem Sofa zu sitzen und einen kleinen Nervenzusammenbruch zu haben!
Sie hob den Kopf um Levin genau das zu sagen, da fiel ihr der Zettel auf dem Tisch auf. Sie schloss die  Augen fest und hoffte, dass es nicht das war, was sie befürchtete. Doch als sie die Augen öffnete und den  Zettel in die Hand nahm, sah sie ihre Befürchtungen bestätigt.

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