Dienstag, 24. April 2012

Pills and twigs


"Können Sie sich irgendwie erklären, wie es dazu gekommen ist?", fragte der Sanitäter, der mit ihnen  hinten geblieben war, während der andere den Motor startete und losfuhr.
"Sie ist tablettensüchtig. Wir hatten einen Streit, ich bin weggelaufen. Nur, um mich etwas zu beruhigen.  Und als ich wiederkam, lag sie dort. Ich habe mich vorher schon über ihre Tabletten informiert und  deshalb direkt gesehen, dass sie eine Überdosis genommen haben musste…Aber ich dachte es wäre  versehentlich." Der Sanitäter sah Emily verständnisvoll an.
"Also war es kein Versehen?", fragte er.
"Nein. Ich habe einen Abschiedsbrief auf dem Couchtisch gefunden. Sie wollte sterben. Aber sie wird nicht  sterben, oder?", fragte sie ihn und blickte hoffnungsvoll zu dem Fremden hoch.
"Nicht, wenn wir es verhindern können. Sie haben uns gerade rechtzeitig verständigt. Nur ein paar  Minuten später und es hätte zu spät sein können. Geht es Ihnen denn gut? Soll ich mir ihren Fuß einmal  anschauen?" Bisher hatte er sie kaum angesehen, aber jetzt musterte er sie ziemlich genau und Emily  wurde schlagartig bewusst, dass ihre Haare voller Zweige waren und sie über ihrem BH nur ein zerrissenes  Flannellhemd anhatte. Wie gerne hätte sie dem Mann vor ihr ihre Verletzungen gezeigt, damit er sie  anschauen und behandeln konnte, doch dann müsste sie ihm auch erzählen, wie es dazu gekommen war  und irgendetwas an der ganzen Geschichte erschien ihr zu seltsam, um sie zu erzählen. Was war mit ihr  los? Sie hätte längst die Polizei anrufen sollen. Immerhin wurde sie von einem Wildfremden angegriffen  und halb zusammengeschlagen. Doch etwas in ihr warnte sie davor, sich dem Sanitäter oder einem  Polizeibeamten anzuvertrauen. Und so sagte sie schließlich, wenn auch widerwillig: "Nein, es ist schon in  Ordnung. Ich werde morgen zu meinem Hausarzt gehen. Jetzt geht es erst einmal um meine Mutter."
Der Sanitäter nickte nur und sagte nichts. Er sah nicht überzeugt aus und sah sie und Levin belustigt an. Sollte er doch denken, was er wollte. Emily hatte im Moment genug Stoff zum Nachdenken.

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