Dienstag, 29. November 2011

Induktiver Fehlschluss.

Bei Chris, er wohnte etwas außerhalb der Stadt, angekommen, setzte sie sich auf sein Bett und packte ihre  Gitarre aus der Tasche. Es war nicht wirklich ihre Gitarre, sondern Chris alte, aber es war die Gitarre, auf  der sie übte.
Chris setzte sich ihr gegenüber in einen Sessel und nahm seine, also seine andere, Gitarre zur Hand.
Aber anstatt, so wie sonst, direkt mit dem Unterricht zu beginnen, schloss er die Augen und biss sich auf  die Unterlippe. Irgendetwas schien ihn zu beschäftigen.
"Ist irgendetwas?" Fragte Emily besorgt. Es war zwar normal, dass Chris etwas melancholisch war, aber so  zerknirscht hatte sie ihn bisher nicht erlebt.
"Nein. Ja. Ach, ich weiß auch nicht. Es ist…ich weiß nicht, wie ich es sagen soll," stammelte er und  schüttelte den Kopf.
"Was ist denn los? Ist etwas passiert? Ist etwas mit deiner Familie?" Fragte Emily.
"Nein, das ist es nicht. Es…Ach, ist doch egal. Fangen wir mit dem Unterricht an," antwortete Chris  resigniert und ließ den Blick sinken.
"Du…du kannst mit mir reden, wenn du willst. Wenn du nicht willst, ist es auch okay. Aber ich kann Dinge  für mich behalten. Ich höre dir gerne zu," versicherte sie ihm. Schließlich wusste Emily, wie es war,  niemanden zum Reden zu haben und seine Probleme für sich zu behalten. Wie es war, wenn sich alles  aufstaute und zu einem engen, brennenden Knoten in der Brust zusammenschnürte...
"Es ist nicht so einfach. Du weißt ja, dass ich ziemlich introvertiert bin. Ich kann meine Gefühle nicht gut  ausdrücken," sagte er entschuldigend. Emily sah ihm seine Verlegenheit an und ihr dämmerte es plötzlich.
"Ah, also ist es ein Gefühlsproblem." Emily schwante da schon etwas und sie musste lächeln.
"Ja, so kann man das wohl sagen," antwortete Chris mit einem halben Lächeln. Mit seinen großen braunen  Augen sah er sie an.
"Ich erzähle Norah nix, keine Angst," sagte Emily mit einem Zwinkern und einem verschwörerischen  Grinsen.
"W-Was? Achso…Ähm…Ich glaube, du hast da etwas falsch verstanden," stotterte Chris und rückte seine  Brille mit einem Finger zurecht.
"Das braucht dir nicht peinlich zu sein. Ich hab doch schon gesagt, dass ich Dinge für mich behalten kann.  Ich finde das süß." Sie lächelte ihn noch einmal an und nickte dabei ermutigend.
"Ja. Okay, danke. Dann lass uns jetzt mal anfangen."
"Ja, wir sind ja schließlich nicht zum Tratschen hier," lachte sie. Doch dann wurde sie ernst und sie  begannen die Gitarrenstunde.
Als die Stunde um war, schüttelte Chris den Kopf.
"Ich habe noch nie jemanden erlebt, der so schlecht ist, wie du," sagte er lachend.
"Hey. Das ist gemein! Ich-ich hab immerhin trotzdem Spaß dran. Und wenn ich ganz viel übe, wird das  bestimmt noch was," antwortete sie in gespielt beleidigtem Ton.
"Das  glaube ich zwar nicht, aber ich werde dich unterrichten, so lange du willst."
"Das ist nett von dir." Und das war es wirklich, da er sie kostenlos unterrichtete.
"Aber jetzt…" setzte Chris an "…musst du lernen, ich weiß, ich wollte eh grad gehen, sonst komm ich aus  deinem Vorstädtchen hier nicht mehr raus," beendete Emily den Satz für ihn. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen